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kapitel 9: blowin‘ in the wind (teil 1)

Dorf in der Pampa, 3.März 2005

 

Es knallte gewaltig! Die Erde bebte! Das Licht flackerte! Dann war es stockdunkel. Alle Straßenlaternen waren erloschen. Es rauchte und zischte in der Dunkelheit. Der Rauch lichtete sich und man konnte die Umrisse eines Autos erkennen. Es knarrte und knackste laut. Dann ging eine Autotür auf und ein wirklich schwer betrunkener Mann fiel heraus. Es war gegen 2 Uhr in der Nacht und in den umliegenden Häusern gingen vereinzelnd Lichter in den Fenstern an. Der Lärm hatte ein paar Leute aufgeweckt. Sie waren durch den Knall aus ihrem wohlverdienten Schlaf an diesem Freitagabend gerissen worden. Toller Start ins Wochenende!

 

Man hörte wie einige Haustüren und Fenster aufgingen. Ich war mit meinem Kumpel Anton auf einem Konzert gewesen und lieferte ihn gerade mit meinem Auto vor seiner Haustür ab. Die betrunkene Statur, die ich wegen der Dunkelheit nicht so wirklich erkennen konnte, raffte sich auf und torkelte einer Haustür entgegen, in der ein Mann mit einer Taschenlampe stand. Der Betrunkene stützte sich an dem Mann ab, der dies nur sehr widerwillig zu lies. Er lallte, soweit ich es verstehen konnte, dass er eine kleine Autopanne hätte und ihm der werte Mann doch mal kurz behilflich sein sollte. Der Mann aus dem Haus jedoch trat einen Schritt zurück und der Betrunkene machte eine 360 Grad Drehung um seine eigene Achse, eh er längs genau in die kleine Hecke im Vorgarten neben ihm flog.

 

Dann war auch schon das Sirenengeheule eines Polizeiwagens zu vernehmen, der um die Ecke gebraust kam. Der Polizeiwagen musste wirklich sehr scharf bremsen, um nicht selbst noch einen Unfall zu bauen. Die „kleine Autopanne“ so wie es der Betrunkene liebevoll betitelt hatte war eher ein Bild der Zerstörung, welches er hinterlassen hatte. Und was für ein Bild! Der Betrunkene, ich nenne ihn mal B. war in einer langgezogenen Geraden auf der Hauptstraße gegen fünf parkende Autos gefahren, um dann schlussendlich am Ende seiner Kür feierlich gegen den Hauptstromkasten der Straße zu brausen. Es sah nach einem Totalschaden aus und in der ganzen Straße war der Strom weg, sämtliche Straßenlaternen erloschen. Beim Eiskunstlaufen hätte der Kandidat wohl super Haltungsnoten bekommen, nur ein paar Punkte Abzug wegen der nicht ganz vollkommenen Landung wären gewiss fällig gewesen. Beim Bowling hingegen hätte man dies wohl als astreinen Strike betiteln können. Das konnte ja noch wirklich lustig werden hier.

 

Dann kam der Nachbar von Anton aus seinem Haus raus und fragte uns, mehr spöttisch neugierig als wirklich aufgeregt: „Jungs was zum Teufel ist, denn da passiert? Wartet kurz, ich hol uns einen Kasten Bier, das wird sicher noch ein Spektakel hier mit der Bullerei. Wie die sich wieder anstellen... Das sollte man nicht verpassen!“. Gesagt getan. Also standen wir jetzt zu dritt selbst gut mit Bier versorgt auf der anderen Straßenseite und sahen, wie B. von der Polizei abgeführt wurde. Dieser weinte bitterlich und versuchte sich, wie sich ein kleines Kind an seiner Mutter festklammern würde, wenn es Mitleid erwecken will, an einen der Polizisten anzuschmiegen. B schnäuzte dem Polizisten in seinen Kragen. Der Polizist verlor seinerseits die Fassung und drückte B. gegen das Polizeiauto. Sein Kollege eilte ihm zu Hilfe und mit vereinter Kraft legten sie ihm Handschellen an. B. weinte jetzt noch lauter. Die Polizisten fluchten, während sie ihn ins Auto verfrachteten. Sie hatten sich ihre Nachtschicht dann doch etwas gemütlicher vorgestellt.

 

Ich fragte mich in dem Moment was wohl was Lupo Lippi und Oberkommissar Petersen zu dem Vorfall sagen würden. Zwei Wochen vor diesem Vorfall hatte ich die beiden alten Haudegen kennen gelernt, beide zwei altgediente Polizisten. Wir saßen grad in einer Gruppe von Freunden an einem Sommerabend auf einer Bank in der Nähe unserer Dorfkneipe. Während wir da so lässig mit ein paar Dosen Bier abhingen, bemerkten wir zwei recht angetrunkene Gestalten, die aus der Kneipe rauskamen und lauthals über glorreiche vergangene Zeiten schwadronierten. Sie schlenderten fröhlich sich gegenseitig stützend in Richtung ihrer parkenden Autos, doch dann erblickten sie uns. Sie lachten und kamen auf uns zu. Einer der Beiden rief in unsere Richtung: „Seid ihr etwa die schlimme Dorfjugend hier, oder was?“ Ich entgegnete: „Na klar, sieht man das nicht?“ und lachte. Anton fügte hinzu: „Lust auf ein Bier?“ und streckte den beiden jeweils eine Dose mit kühler Köstlichkeit hingegen. Kommissar Petersen, der etwas Ältere der Beiden, meinte: „Nein dafür bin ich zu alt um jetzt hier so spät abends draußen mit Dosenbier abzuhängen, aber wenn ihr wollt, kommt doch mit ins Nachbardorf. Da kenn ich noch eine nette Kneipe und für uns lassen die sicher auch gerne länger auf!“ Er zwinkerte mir zu und ich entgegnete auch schon leicht angetrunken, etwas neckisch: „Wers glaubt wird seelig...“

 

Darauf antwortete Lupo: „Na sei mal hier nicht so vorlaut Bürschchen, du weißt ja gar nicht wen du hier vor dir hast! Das hier ist Kommissar Petersen“ und deutete auf seinen Wegkumpanen, der kurz mit ernster Miene nickte, „Er ist hier Chef der Polizeiwache des ganzen Kantons und ich bin Lupo! Wir beide kennen uns noch von der Ausbildung und sind auf unsere alten Tage mal wieder gemeinsam einen trinken gewesen. Kommissar Petersen war damals mein Vorgesetzter...“. Kommissar Petersen fügte noch hinzu: „Und Lupo war mein trinkfestester Schüler, den haute nichts so schnell um, und das hat sich bis heute gehalten, wie es aussieht. Jetzt kommt mit oder lasst es halt bleiben! Wir gehen auf jeden Fall noch einen Absacker trinken und ihr seid herzlich eingeladen. Heute geht alles auf mich! Bald habe ich meine Pension, das gehört gefeiert und jünger werden wir auch nicht mehr!“

 

Anton gab mir einen Stoß und meinte: „Ach komm wir sind dabei!“ Anton war stets offen für neue Abenteuer und in seiner Gegenwart verflog meine anfängliche Skepsis schnell. Klar ist es Wahnsinn mit zwei älteren betrunken Unbekannten, wovon sich einer auch noch als hochrangiger Polizist ausgab, irgendwo hinzufahren. Aber hey, wir waren es gewohnt, seit wir unseren Fußball-Trainer kannten, konnte uns nichts mehr so schnell schocken und was ist schon normal? Unser Fußball-Trainer war auch Polizist, und was für einer, aber dazu mehr im in einem nächsten Kapitel.

 

Angetrieben von der Neugier, unserer jugendlichen Leichtsinnigkeit und einer unbekümmerten Angetrunkenheit stiegen wir bei Kommissar Petersen ein. Er hatte einen recht großen schwarzen BMW und Lupo fuhr mit seinem kleinen roten Renault dahinter. Wir hatten eine nicht sehr ungefährliche, kurvenreiche Landstraße vor uns und ich war froh als wir nach einer doch etwas ungemütlichen Schlangenfahrt, während unser werter Herr Kommissar davon geprallt hatte, wo er schon überall Autos in den Graben gesetzt hatte, heil im nächsten Dorf in der Kneipe angekommen waren.

 

Wie schon von mir angenommen wollte der Besitzer gerade die Kneipe schließen, da ja bald Sperrstunde anstand. Doch er kannte wohl tatsächlich Kommissar Petersen und ließ extra für uns offen. Es schien, als hätten die Beiden uns nicht angelogen, was ihre berufliche Tätigkeit anging. Lupo bestellte eine Flasche Whiskey und 4 Gläser dazu. Anton war schnell mit Lupo in einem Gespräch verwickelt. Es stellte sich heraus, dass beide absolute Musikfanatiker waren und sich gegenseitig lauthals über ihre Leidenschaft für alte Bob Dylan Songs austauschen konnten.

 

Der Whiskey tat sein Übriges die Euphorie anzukurbeln. Ich merkte wie ich doch immer betrunkener wurde und ich fand immer mehr Gefallen an der ganzen Sache. Eine Frage brannte mir die ganze Zeit auf der Zunge, oder war es doch der Whiskey? Naja, jedenfalls fragte ich Kommissar Petersen was denn passieren würde, wenn er selbst mal in eine Polizeikontrolle geraten würde und offensichtlich zu viel getrunken hätte, so wie z.B. gerade in dem Moment. Er grinste kurz, um dann aber wieder ein ernstes Gesicht aufzulegen und antwortete: „Mein Junge, jeder wird vor dem Gesetz gleichbehandelt. Ganz egal, ob es sich da um dich oder meine Wenigkeit handelt. Nur würde es wohl kein Polizist hier aus meinem Distrikt es wagen mich anzuhalten oder gar mich mit einem Strafzettel zu nötigen. Ist klar, weil jeder wüsste, welche Standpauke ihn am nächsten Tag in meinem Büro erwarten würde. Und ich kann dir sagen, dagegen wäre ein heftiges Sommergewitter nur ein laues Lüftchen!“

 

Ich schaute ihn etwas ungläubig mit großen Augen an, aber irgendwie war mir auch klar, dass da keine andere Antwort kommen konnte. Nach einer Weile schaute Kommissar Petersen auf seine Uhr und fuhr sich durch sein graues seichtes Haar, was er ordentlich nach hinten gekämmt hatte, um seine kleine lichte Stelle am Hinterkopf zu bedecken. Er meinte, es wäre mal so langsam doch Zeit nach Hause aufzubrechen, schließlich müsste er ja am nächsten Tag wieder für Recht und Ordnung sorgen und schauen, dass seine chaotische Polizeitruppe nicht aus der Reihe tanzte. Er stand auf und ging zum Tresen. Er bezahlte für uns Alle und nickte kurz zum Abschied.

 

Anton war weiterhin mit Lupo im Gespräch vertieft, aber bemerkte, dass so langsam Aufbruchsstimmung herrschte. Und er hasste diesen Moment, denn er liebte genau wie ich diese nie enden wollende Nächte. Doch wie immer hatte Anton auch schon einen Plan, wie es weitergehen sollte. Und was für eine Nacht das werden sollte, gibt es dann im nächsten Kapitel ... ;)

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