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Vorbilder schüren keine Ängste!

„Ausländer raus“ nannte Christoph Schlingensief seinen Film über die von ihm im Jahr 2000 inszenierte Kunstaktion "Bitte liebt Österreich". Die Aktion fand direkt bei der Wiener Staatsoper statt. Der leider viel zu früh verstorbene deutsche Künstler steckte hier im wahrsten Sinne des Wortes, in einer Big Brother ähnlichen Aktion, Menschen in Container. Jeden Tag konnte einer der 12 Bewohner übers Internet herausgewählt werden. Doch anders als bei Big Brother war hier nicht etwas vergänglicher Ruhm der Trostpreis. Nein, der oder die Herausgewählte wurde sofort abgeschoben. Die Containerbewohner waren Asylbewerber.

 

Wir schreiben das Jahr 2016 und der 22. Mai rückt näher. An diesem Tag habe ich Geburtstag. Es wird wohl ein geschichtsträchtiger Tag für Österreich, aber auch für Europa, werden. Nein nicht wegen meinem Geburtstag, sondern natürlich wegen der Bundespräsidentenwahl in Österreich. An diesem 22. Mai 2016 wird sich wohl die Zukunft Österreichs maßgeblich entscheiden. Für mich persönlich steht mehr als nur die Zukunft von Österreich und seinen Bewohnern auf dem Spiel. Es ist möglicherweise auch eine wegweisende Wahl, was die Tendenzen in ganz Europa betrifft. Ich werde am besagten Tag 30 Jahre alt und da denkt man auch schon mal über sein bisheriges Leben nach. Eins kommt mir da immer wieder in den Sinn: Mir war es irgendwie immer wichtig etwas Sinnvolles mit meinem Leben anzufangen, um in einer gewisser Art und Weise so auch irgendwann ein Vorbild für andere Menschen sein zu können.

 

Bist du ein Vorbild?

 

Wenn ich so über die Vorbilder meiner Kindheit, Jugend aber auch der Gegenwart nachdenke, dann fällt mir etwas auf. Und ich nenne hier bewusst keine Namen, du sollst ruhig an die Vorbilder denken, die dir wichtig sind. Man muss da auch nicht immer so weit denken, nur als Beispiel: zu meinen wichtigsten Vorbildern gehören sicherlich auch meine Eltern. Das mag jetzt vielleicht etwas pathetisch klingen aber einen Punkt haben alle meine Vorbilder gemein: Ihre Vorbildfunktion ist nie auf dem Schüren von Ängsten aufgebaut. Eher das Gegenteil war und ist der Fall: Meine Vorbilder nehmen es mit ihrer Angst auf und versuchen einen positiven Lösungsansatz zu finden. Klar ist dies nicht immer einfach, aber genauso ist für mich auch eines ganz klar: 

 

Vorbilder spalten nicht! 

 

Vorbilder hetzen nicht gegeneinander auf! 

 

Und ganz besonders bauen Vorbilder keine Grenzzäune (weder mental noch physisch)! 

 

Wenn meine Vorbilder doch mal vor einer schwierigen Aufgabe stehen, die unüberwindbar scheint, dann helfen sie sich gegenseitig. Vorbilder vereinen, sind mutig, gehen entschlossen voran und ich wiederhole mich: Vor allem schüren sie keine Ängste! Positive Vorbilder brauchen positive Visionen! Wahre und aufrichtige Vorbilder beschweren sich nicht über das Vergangene. Sie leben im Hier und Jetzt!

 

Bundespräsidentschaftswahl 2016 in Österreich

 

Um jetzt den Bogen wieder zurück zu den Wahlen zu spannen, sind genau in einer solchen Situation, wie wir sie im Moment vorfinden, die Funktionen von Vorbildern wichtiger denn je. Sicher sucht jeder von uns nach diesen starken Vorbildern, die uns richtungsweisend in die Zukunft führen sollen. Aber man sollte dabei nicht aus den Augen verlieren, dass jeder von uns für irgendjemanden ein Vorbild sein kann und auch sollte. Ja auch du, lieber Leser! Auch du kannst jeden Tag Menschen inspirieren und von anderen Menschen lernen. Denn Vorbilder müssen nicht perfekt sein! 

 

Doch ein Vorbild zu sein bedeutet nachzudenken und sich anzustrengen. Positives Denken fordert Mut und Kraft. Positivität muss man sich manchmal hart erarbeiten. Klar ist es einfacher sich nur aufs Beschweren zu beschränken und der Schwarzmalerei den Vorzug zu geben. Die FPÖ ist ganz klar kein Vorbild, aber du bist auch kein Vorbild, wenn du nichts anderes kannst als nur wahllos herum zu schimpfen und den Dialog mit anders denkenden Menschen aufzugeben. Das wiederum erfordert zweifelsohne Kraft, Mut und Positivität. Es kann einen sogar manchmal sehr frustrieren, aber es ist absolut notwendig. Also wenn du wirklich was bewirken willst, schimpfe nicht über Norbert Hofer. Jedenfalls belass es nicht bei Schimpftiraden oder sonstigen moralischen Keulen. 

 

Punkt eins: Rede sachlich und höflich mit jedem, auch wenn es sinnlos erscheint. 

 

Punkt zwei: Geh wählen aber zwing keinem deine Meinung auf. Es wird nichts bringen!

 

Menschlichkeit braucht eine positive Vision!

 

Sei nicht so engstirnig und schau über den Tellerrand hinaus! Österreich war und wird immer ein schönes Land bleiben, jedenfalls was seine Natur betrifft. Das wird keine FPÖ und auch kein Nobert Hofer zerstören können. Was diese Menschen aber gerade schaffen, ist an dem zu sägen was Österreich neben seiner grandiosen Bergen, Seen, Täler auch immer schon zu bieten hatte: Die Schönheit der Menschlichkeit und eine vielfältige, befruchtende Kultur. 

 

Das ist jedenfalls das Österreich, das ich kennen gelernt habe. Die Fassade bröckelt und die Hässlichkeit einer tief gespaltenen Gesellschaft kommt zum Vorschein. Es sind mittlerweile leider mehr als nur ein paar Risse. Das Fundament droht einzustürzen. Eine Gesellschaft in der die Kommunikation, zwischen zwei sich immer mehr verhärtenden Lagern, sich als immer schwieriger zuspitzt hat, ein Problem. Und was für ein Problem! So kommen wir leider nicht mehr weiter. Jeder fühlt sich in seiner Weltsicht bestätigt und am Ende gewinnen nur die, die niemals zu unseren Vorbildern dazu zählen sollten. 

 

Es ist sinnbildlich für ein Phänomen, welches sich so langsam durch ganz Europa zieht. Und für mich ist eins klar. Ein Europa ohne Österreich wäre nicht mehr das Europa, was ich liebe! Warum? Ganz einfach! Ich bin gebürtiger Luxemburger, wohne in Wien und fühle mich als Europäer. Luxemburg ist tief mit meiner DNA verwurzelt, Wien ist der Ort, den ich liebe und Europa ist meine Heimat. Sicherlich wird mein größtes Verbundenheitsgefühl immer Luxemburg gehören, besonders weil dort meine Familie und Freunde leben. Aber ich mag mich einfach nicht auf einen Ort festlegen und den dann mit aller Verbissen und Verbitterung gegen jegliche Veränderung verteidigen. 

 

Ich will nicht in die Kleinkariertheit irgendwelcher Religionskriege oder verfeindeten Nationalstaaten zurückfallen in der alle Religionen Liebe und Brüderlichkeit predigen. Aber sobald jemand eine Zeile aus der Bibel oder eine Sure aus dem Koran nicht wortgenau für sich interpretiert, wird er mit ziemlicher Sicherheit irgendwo auf der Welt einen Verrückten finden sich dafür rächen will. Das ist doch Wahnsinn! Müssen wir uns wirklich auf dieses Niveau hinab begeben? Wollen wir nicht endlich unsere vielgepredigte Vorbildfunktion als Europäer wirklich wahrnehmen? Es ist wohl wahr, dass nicht die FPÖ und auch nicht ein Norbert Hofer Schuld (jedenfalls nicht alleine) an den Umständen sind, in denen wir uns gerade befinden. Aber Vorbilder für die Zukunft sollten sie auch nicht sein!

 

Komplexe Welt und böse Menschen, alle sind Oasch!

 

Die Welt ist komplex und vieles läuft auch direkt vor unseren Augen nicht so wie es sollte. Dies lässt viele auch öfters mal sehr machtlos fühlen, mich auch. Schuld sind dann aber sehr schnell immer direkt die Anderen, am besten die wo von woanders herkommen und die Kultur hier eh nicht verstehen. Es ist oft die Rede von diesem mir etwas schleierhaften „Integrationswillen“. Ich frage mich da z.B. ob ein syrischer Ladendieb in Wien jetzt schlimmer ist, als ein reicher Österreicher der Steuern hinterzieht. Ist ein netter Iraker ohne Aufenthaltsbewilligung jetzt schlechter als ein Österreicher, der keine Freunde hat und sich benimmt wie das letzte, mit Verlaub, aber manchmal muss man es so ausdrücken, Oarschloch

 

Und nein! Das gilt ganz sicher nicht nur für Österreich. Das betrifft genauso Luxemburg, Deutschland... ganz Europa und sogar die ganze Welt. Wir reden und schreiben so viel über unseren westlichen und ach so christlichen Werte. Die wären ja so unvereinbar mit dem hinterwäldlerischen Getue des Islams. Nun gut, das ist jetzt auch sehr überspitzt und vereinfacht formuliert aber hey wir leben im Jahr 2016. 

 

Wollen wir uns im Jahr 2016 ernsthaft als aufgeklärtes Vorbild darstellen, indem wir irgendeine Religion für Werte in einer Demokratie hernehmen wollen. Soll nicht eher unser Demokratieverständnis als Vorbild dienen? Wenn ja dann müssen wir es auch aushalten, wenn Leute die keine Vorbilder sind an ihren Grundfesten sägen. Aber vielmehr müssen wir uns selbst fragen, was es bedeutet ein Vorbild zu sein. Ja, auch ein FPÖ Wähler sollte sich fragen, was es für ihn bedeutet ein Vorbild für seine Kinder zu sein. 

 

Ausgrenzung, Fremdenfeindlichkeit, Egoismus, Engstirnigkeit, mentale und physische Grenzen schließen, Hilfe verweigern, wegschauen und Ängste schüren. Das sind doch nun wirklich keine Vorbildfunktionen, die man anderen Menschen mit auf den Weg geben will oder doch? Ich glaube das kann doch keiner ernst meinen, der auch nur 5 Minuten ernsthaft über sich, seinen Glauben und die Gesellschaft, in der er oder sie leben will, nachdenkt. 

 

Wir müssen weg von dem festgebrannten Irrglauben es wären immer nur die Anderen. Die bösen Fremden, die da Oben, die unfähigen Politiker, der Idiot vor mir, der kein Auto fahren kann, das Arschloch, das mir grad die letzte Semmel beim Billa vor der Nase weggekauft hat. Na und!? Dann kauf ich mir halt was anderes. Hey, immerhin können wir was kaufen und auch mal etwas Neues ausprobieren, macht doch Spaß. Jedenfalls so lange man die Wahl (noch) hat. Den Hofer ausprobieren, und damit meine ich nicht den Supermarkt, wäre jedoch weder spaßig noch etwas wirklich Neues. Wirklich nicht! Wer das nicht versteht, sollte vielleicht doch mal den Namen Norbert Hofer googlen und ein Geschichtsbuch daneben aufschlagen. Wer jetzt noch laut ruft, dass Nobert Hofer wirklich für ein modernes und aufgeklärtes Denken steht, der sollte vielleicht sein eigenes Selbstbild von der Welt überdenken. Wer hingegen das völkische und rückwärtsgewandte Denken eines Norbert Hofer so unterstützen kann, wie dieser es auch immer wieder gerne präsentiert, dem werfe ich ganz klar Egoismus und keine Weitsicht vor. 

 

Politik ist Zeitgeschichte und diese Geschichte reicht sehr weit zurück. Man muss aber nicht so weit zurückgehen, um zu sehen was rückwärtsgewandte NICHT-Vorbilder anstellen können, wenn viele denken sie müssten ihre Vorbildfunktionen einstellen. Es ist auch schwer eine so komplexe Struktur innerhalb weniger Sätze zu erklären. Schlussendlich geht es in meinen Augen halt einfach nicht mehr darum den Anderen mit seinem Wissen zu überhäufen, ihm zu zeigen, warum er ein dummer Idiot ist. Das machen Vorbilder nicht! Vorbilder versuchen neue Wege zu gehen, sie versuchen aufzuklären aber, und ich wiederhole mich da, Vorbilder schüren nicht Ängste zu ihren eigenen Gunsten! 

 

Jeder Mensch hat Gefühle. Und jeder Mensch hat ein Gefühl, wenn er an sich und seine Vorbildfunktion denkt. Für mich bleibt da am Ende des Tages nur eine ganz einfache und bescheidene Frage, die sich jeder Mensch in Österreich (aber auch sonst wo in der Welt) in Bezug seine politische Haltung stellen soll: 

 

Welche Art von Vorbild will ich sein? Welche Art von Vorbild kann ich sein?

 

Ich für meinen Teil kann nicht in Österreich wählen. Aber ich fühle mich mit ganzem Herzen als Wiener, als Österreicher, als Luxemburger und vor allem als Europäer! Für mich und ganz viele andere Menschen ist ein Europa der geschlossenen Grenzen, sowohl in mentaler als auch physischer Form so unvorstellbar, dass allein der Gedanke daran mir fast das Herz bricht. 

 

Ich will ein Vorbild für Menschlichkeit und Offenheit sein, nicht für Bequemlichkeit! Ich behaupte nicht, dass es mir ständig gelingt, aber ich versuche es wenigstens. Auch ich bin ein Mensch mit Ängsten und Sorgen! Aber Menschlichkeit braucht eine positive Vision! Jeder ist herzlich dazu eingeladen an dieser Vision mitzuarbeiten. Und mit diesem Text versuche ich meinen kleinen und bescheidenen Teil beizutragen.

 

Bitte denk daran, wenn du am 22. Mai in der Wahlkabine stehst. Danke!

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Anja Muthesius (Montag, 16 Mai 2016 21:10)

    Danke, ich erlaube mir, diesen Text, den ich in einem Kommentar fand, in Facebook zu teilen.

  • #2

    Geschichten mit Weber (Montag, 16 Mai 2016 21:17)

    Guten Abend Anja, natürlich darfst und sollst du ihn sehr sehr gerne teilen! Freut mich sehr! :) Danke!